Geweihte Nächte und ein Heiliges Kind
Der König ist tot, lang lebe der König
Um den Charakter der geweihten Nächte im Dezember zu verstehen, wollen wir noch einmal zurückblicken: Im Oktober hatten sich Tag und Nacht noch die Waage gehalten. Der November kam für Mensch und Natur als der Monat des Todes daher – und der Skorpion mit seinem Giftstachel war das passende (Sternen)-Bild dazu. Der Dezember steht zunächst im Zeichen des Schützen. In der germanischen Mythologie ist es Baldur, Odins Sohn, der durch einen tückischen Verrat vom blinden Wintergott Hödur getötet wurde – mit einem Pfeil des immergrünen Mistelzweigs.
Wir sehen die "gestorbene" Sonne bleich und matt am Himmel, wenn überhaupt. Nach dem Sonnen-Stillstand (Solstice) am 21. Dezember, kommt erst am 24. Dezember scheinbar wieder Bewegung in den Lauf der Sonne. Das ist die Geburt des Sonnenkindes und wir feiern Weihnachten. Auf dem „tiefsten“ Punkt des Jahres wendet sich die Sonnenbahn wieder, die Tage werden länger, zunächst unmerklich – doch unaufhaltsam: wie der Steinbock, der in der Felswand den Berg erklimmt.
Wie im Sommer, braucht es nach dem Sonnenstillstand (Solstice) drei Tage bevor sich die Bewegung mit den bloßen Augen feststellen lässt. Solange sieht es aus, als ob die Sonne still steht: Solstice eben. Gibt man im Winter auf den 21. Dezember drei Tage drauf ist Heiligabend, das Lichtkind wird geboren, die Tage werden ab dem 25.12. wieder länger. Genau gegenüber im Jahreskreis am 24. Juni ist Johannestag, an dem überall die Sonnenwendfeuer entzündet werden. Es ist auch die Hohe Zeit des Jahres, in der die Menschen früher Hochzeit gefeiert haben.
Im Jahreskreis begegnen wir den göttlichen Prinzipien des Lebens und des Todes auf Schritt und Tritt.
Unsere Mythen sind bildhafter Ausdruck der natürlichen Prozesse. Wenn das Leben im November zu Grabe getragen wurde, liegt es jetzt reglos da: Je tiefer wir hier abgestiegen sind, desto mehr strebt unser Geist dem Himmlischen entgegen. Freudig erwarten wir die Geburt des neuen Lichtkindes. Advent heißt "Er kommt": Der König ist tot, lang lebe der König.
Mit dem Januar melden sich die Lebenskräfte aus der Erde zurück. Wie die Bärin, die in der dunklen Winterhöhle ihre Jungen zur Welt bring: blind und winzig klein. Im März verlässt sie den Bau mit den dann schon gewachsenen Jungen an ihrer Seite. Astrologisch gesehen beginnt erst dann, mit dem Widder, das neue Jahr.
Die Zeit des dunklen Winters blenden viele aus, so wenig respektvoll gehen wir mit den Alten um. Doch ohne das hohe Alter ist der Lebenskreis nicht rund. Ohne die Vollendung macht der Kreislauf des Lebens und Sterbens keinen Sinn. Deshalb sollten wir uns auch nach jedem Projekt die Zeit nehmen, auf das zurückzublicken, was wir erschaffen haben – bevor wir gleich wieder zum nächsten Ereignis eilen.
Mutter, Jungfrau und ein göttliches Kind
Die Mutter Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm ist eines der bekanntesten Bilder des katholischen Glaubens. Schließlich feiern wir an Weihnachten die Geburt Jesu. Der kleine Junge, der in einer Hütte in Bethlehem geboren wurde, ist Thema aller Krippenspiele. Der Termin, 25. Dezember, ist erst später bewusst gewählt und in den religiösen Kalender festgeschrieben worden. Vorbild war die ägyptische Göttin Isis mit dem Horus-Kind auf dem Arm. Die ägyptischen Gottheiten stehen Pate für die biblische Geschichte. Sogar für die "Jungfräulichkeit" der Mutter.
Im Mythos wird Osiris von Seth getötet, sogar zerstückelt. Isis findet ihn wieder, sammelt die Stücke ein und setzt sie wieder zusammen (Religio = Rückbindung). Doch das beste Stück fehlt, der Phallus. Und so verbindet sich Isis mit dem Göttlichen und gebirt das Horuskind unbefruchtet aus sich selbst heraus.
Mit dem Fünfstern Odins wilde Jäger bannen
Die Äpfel aus dem Garten gehen nun zur Neige. Die letzten Früchte von den eigenen Bäumen werden zusehends schrumpliger und mürber. Die Frucht weist in die Anderswelt, in das Apfelland, welches die Kelten Avalon nannten.
Wenn ihr einen Apfel in der Mitte (quer) durchschneidet, seht ihr im Kerngehäuse ein Pentagramm – auch Drudenfuß genannt: ein altes Schutzzeichen.
In den Raunächten, einer Zeit zwischen den Jahren, ziehen nachts Wotans/Odins Gesellen als wilde Jagdgesellschaft über den Himmel. Die Tage können jetzt wieder länger werden. Wer mit diesen Wesen vertraut ist und keine Bange hat, kann mit einem Pentagramm Kontakt aufnehmen. Der Fünfstern kann mit Mehl auf dem Hof oder im Garten auf den Rasen gestreut werden. Ich nehme Weidenruten dazu, die als "Landebahn" dienen. Wer den wüsten Gesellen wohl gesonnen ist, kann auf den Segen "Woutans" (der Wüterich) für Familie und Haus bauen.
Im Weserbergland ist dieser Jäger übrigens als Hans Hackelberg bekannt.
Highlige Nacht und abgründige Weihnachten
Der Nikolaus, ein Mensch gewordener Fliegenpilz? Davon ist der Ethnologe und bekannte Buchautor Christian Rätsch überzeugt. Seinen ethnologischen Ursprung hat der Weihnachtsmann demnach in vorgeschichtlicher Zeit: Zum Fest der Wintersonnenwende wurden Fliegenpilze verzehrt, um sich davon zu berauschen und in höhere Dimensionen zu befördern, also der Sonne ein Stück näher zu sein. Christian Rätsch erklärt verblüffende Zusammenhänge und die Hintergründe unseres modernen Weihnachtsrituals: In Wirklichkeit feiern wir nämlich ein heidnisches Fest und der rot-weiß-gewandete Weihnachtsmann entpuppt sich dabei als verkappte Version von Wotan, als heimlicher Schamane und sogar als anthropomorpher Fliegenpilz. Mein Buchtipp für den Gabentisch: "Abgründige Weihnachten" - Ein schräger Blick auf das bedeutungsvollste aller Feste – wissenschaftlich fundiert und zugleich höchst Das Feuer zurück in die Welt bringen
Die Bedeutung der Wintersonennwende zeigt sich auch in den vielen Bräuchen und Mythen rund um diese Zeit. Der sich windende Weg des Labyrinths gibt den Weg der Sonnenbahn im Jahr wieder. Die Jungfrau, die der Held aus der Gefangenschaft befreit, ist kein andere als die Sonne.
Bei uns Zuhause hat sich ein Brauch gebildet, bei dem wir an Heiligabend alle Lichter löschen. Dann entzünden wir im Ofen ein Feuer - von dem aus wir das Licht zurückbringen und viele Kerzen anzünden. Diese Feuer wurden bei den Germanen Nothfeuer genannt = Nodfyr (Reibefeuer). Wir nehmen dabei heute jedoch einfach Streichhölzer.